Im deutschen Steuerrecht spielt die verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) eine zentrale Rolle, wenn es um die steuerliche Behandlung von Kapitalgesellschaften geht und Leistungsbeziehungen zwischen dem Gesellschafter und seiner Kapitalgesellschaft beurteilt werden müssen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt vor, wenn eine Gesellschaft einem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person einen Vorteil gewährt, der nicht auf einem ordentlichen Geschäftsverhältnis, sondern auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht – und dabei den Gewinn der Gesellschaft mindert, ohne dass eine offene Ausschüttung erfolgt. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG stellt die verdeckte Gewinnausschüttung somit eine steuerlich relevante Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung dar, die den steuerpflichtigen Gewinn der Gesellschaft beeinflusst. In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die Voraussetzungen, typischen -auch im grenzüberschreitenden Kontext- Fallkonstellationen und steuerlichen Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung – und zeigen, worauf zu achten ist.

Verdeckte Gewinnausschüttung in Dreieckskonstellationen:

Verdeckte Gewinnausschüttung in Dreiecksfällen | Teil 1

Verdeckte Gewinnausschüttung in Dreiecksfällen | Teil 2

Zum Einführungsbeitrag in die Problematik: Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Kapitalgesellschaften

Zwei Komponenten der verdeckten Gewinnausschüttung bei Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft

1. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist insbesondere anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (materieller Fremdvergleich).

2. Wenn der Gesellschafter eine beherrschende Stellung hat, werden die materiellen Kriterien der Üblichkeit und Angemessenheit durch formelle Vorgaben erweitert (formeller Fremdvergleich). Eine Vergütung an einen beherrschenden Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person stellt nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 17.12.1997 – I R 70/97) eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, wenn sie

  •  nicht auf einer im Voraus getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung beruht, die zivilrechtlich wirksam ist, oder
  • nicht den getroffenen Vereinbarungen entsprechend geleistet werden (Durchführungsgebot)

Die Sondervoraussetzungen (formeller Fremdvergleich) gelten für alle schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen einem beherrschenden Gesellschafter und seiner Gesellschaft.

Sonderkonstellation: Mittelbar verdeckte Gewinnausschüttung (an nahestehende Person)

Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann auch dann in Betracht kommen, wenn die Zuwendung nicht unmittelbar an den Gesellschafter, sondern an eine ihm nahestehende Person bewirkt wird. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Kapitalgesellschaft dem Dritten einen Vermögensvorteil zugewendet hat, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Person, die dem betreffenden Gesellschafter nicht nahesteht, nicht gewährt hätte.

Da das „Nahestehen“ lediglich ein Indiz für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist, reicht zu dessen Begründung jede Beziehung zwischen einem Gesellschafter und dem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Derartige Beziehungen können familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein (vgl. BFH v. 11.11.2015 – I R 5/14).

Mittelbar verdeckte Gewinnausschüttung durch Verstoß gegen formellen Fremdvergleich bei einer Leistungsbeziehung mit einer nahestehenden Person: Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren und eindeutigen, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (Sonderbedingungen bei beherrschenden Unternehmen oder sog. formeller Fremdvergleich). In diesen Fällen indiziert das vom Fremdvergleich abweichende Verhalten der Kapitalgesellschaft und ihres Gesellschafters oder der dieser nahestehenden Person die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis.

Verdeckte Gewinnausschüttung auch bei überhöhten Anschaffungskosten

Auch wenn erbrachte Leistungen eines Gesellschafters oder einer nahestehenden Person als Anschaffungskosten aktiviert wurden (bzw. objektiv auch zu aktivieren waren), ist eine Vermögensminderung anzunehmen. Nach der Rechtsprechung ist für den Fall, dass eine Gesellschaft von ihrem Gesellschafter ein Wirtschaftsgut zu einem überhöhten Preis erwirbt, eine Vermögensminderung in der Höhe des Teils des Kaufpreises anzusetzen, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde. Der Bilanzansatz ist demzufolge um den Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung zu mindern. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts auch dann, wenn es sich um einen Verstoß gegen den formellen Fremdvergleich handelt. In diesen Fällen indiziert das vom Fremdvergleich abweichende Verhalten der Kapitalgesellschaft die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis, so dass diese Fallkonstellation nicht anders zu behandeln ist.

Verdeckte Gewinnausschüttung über die Grenze (im Lichte des Art. 9 OECD-MA)

Nach der Rechtsprechung des BFH regelt Art. 9 OECD-MA den abkommensrechtlichen Grundsatz des „dealing at arm’s length“ und dient insoweit der Gewinnabgrenzung, nicht aber der Gewinnkorrektur. Die Vorschrift hat also keine sog. „Self-executing-Wirkung“, sondern legt nur den Rahmen und die abkommensrechtlichen Bedingungen für die vorzunehmenden Gewinnkorrekturen fest.

Art. 9 OECD-MA entfaltet eine Sperrwirkung gegenüber den Sonderbedingungen, denen beherrschende Unternehmen im Rahmen der Einkommenskorrektur nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG bei der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung unterworfen sind. Tragende Erwägung dieser Rechtsprechung ist es, dass in den maßgeblichen Vergleichsmaßstab des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nur diejenigen Umstände einzubeziehen sind, welche sich auf die „wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen“ auswirken, also die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten berühren.

Sperrwirkung des Art. 9 OECD-MA bei einer grenzüberschreitenden verdeckten Gewinnausschüttung bei Verstoß gegen den formellen Fremdvergleich: Eine Korrektur des Gewinns wegen Verstoß gegen den formellen Fremdvergleichsgrundsatz ist den Vergleichsmaßstäben des Art. 9 OECD-MA als Gegenstand der Angemessenheitsprüfung fremd (BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13).

Fazit

Die Prüfung, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, erfolgt anhand von zwei tragenden Komponenten:

  • den materiellen Fremdvergleich
  • den formellen Fremdvergleich

Bei einem nicht beherrschenden Gesellschafter entfällt die Prüfung des formellen Fremdvergleichs und eine Leistungsbeziehung ist nur auf materielle Fremdüblichkeit zu prüfen. Daher ist insbesondere bei einer beherrschenden Stellung eines Gesellschafters immer sicherzustellen, dass sämtliche Leistungsbeziehungen auf einem rechtlich wirksamen Vertrag basieren und die darin enthaltenen Vertragsbestandteile auch tatsächlich umgesetzt wurden.