Ein Wegzug ins Ausland kann vielfältige Gründe haben – berufliche Veränderungen, persönliche Lebensentscheidungen oder steuerliche Überlegungen. Doch gerade unter steuerlichen Gesichtspunkten ist größte Sorgfalt geboten. Zentrales Element für den Wegzug ins Ausland ist die Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht. Mit dem Wegzug ins Ausland geht sowohl die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland als auch die Aufgabe des Wohnsitzes einher. Der nachfolgende Beitrag veranschaulicht diese in § 8 AO und § 9 AO legal definierten Begriffe und stellt die steuerlichen Voraussetzungen für einen Wegzug ins Ausland dar.

Zum Einführungsbeitrag in die Thematik

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Wegzugsbesteuerung bei Einzelunternehmen: Zum Blogbeitrag

Zum Video zu den Risiken als Unternehmer: Auswandern als Unternehmer? | Betriebsverlagerung ins Ausland

Wegzug ins Ausland durch Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts und des Wohnsitzes

Im Inland sind natürliche Personen dann unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (mit der Folge des Welteinkommensprinzips), wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG). Ein Wohnsitz liegt nach § 8 AO dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen eine Wohnung unter den Umständen zur Verfügung steht, dass der Schluss gerechtfertigt ist, dass er diese Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der gewöhnliche Aufenthalt nach § 9 AO ist dort, wo sich der Steuerpflichtige dauernd, d.h. nicht nur vorübergehend, körperlich aufhält. Der Wohnungsbegriff erfasst Räumlichkeiten, die folgende Voraussetzungen erfüllen:

• Zum dauerhaften Wohnen geeignet
• Verfügungsbefugnis, Innehaben durch den Steuerpflichtigen
• Nutzung ständig bzw. mit einer gewissen Regelmäßigkeit

Wegzug ins Ausland durch Beendigung des inländischen Wohnsitzes

Nach § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ob die Voraussetzungen des § 8 AO erfüllt sind, ist nach den objektiv erkennbaren Umständen zu beurteilen. Eine Wohnung i.S.d. § 8 AO sind alle stationären Räumlichkeiten, die auf Dauer zum Wohnen geeignet sind. Die Einhaltung melderechtlicher Vorschriften ist nicht maßgebend (BFH-Urteil vom 22.08.2007 – III R 89/06). Die An- und Abmeldung bei der Ordnungsbehörde können im Allgemeinen als Indizien dafür angesehen werden, dass der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz unter der von ihm angegebenen Anschrift begründet bzw. aufgegeben hat (AEAO zu § 8 Abschn. 1.2).

Damit aufgrund eines Wohnsitzes keine unbeschränkte Steuerpflicht bestehen bleibt und der Wegzug ins Ausland mit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht einhergeht, ist damit unbedingt erforderlich, dass jegliche Verfügungs-macht über einen in Deutschland belegenen, zu Wohnzwecken nutzbaren Raumes ausgeschlossen wird. Ein Nachweis kann wie folgt erfolgen:

• Verkauf der eigengenutzten Wohnimmobilie und bereits erfolgte (und protokollierte) Schlüsselübergabe
• Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Schlüssel
• Abmeldung von Strom und Abfallentsorgung am bisherigen Wohnort
• Nachweise über den tatsächlich erfolgten Umzug (Umzugsunternehmen)

Wegzug ins Ausland bei Eheleuten

Im Grundsatz ist für jede Person gesondert zu prüfen, ob für sie an einem bestimmten Ort ein Wohnsitz besteht. Dies gilt auch bei Ehepartnern und minderjährigen Kindern. Die Rechtsprechung erstreckt das Innehaben einer Wohnung bei Familien i.d.R. auf alle nutzenden Familienangehörigen, da diese ihre Verfügungsmacht vom tatsächlichen Verfügungsberechtigten ableiten können.

Widerlegbare Vermutung beim Wegzug ins Ausland:

Es spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass Ehegatten, die nicht getrennt sind, ihren Wohnsitz im Regelfall dort haben, wo die Familie (Ehepartner und Kinder) ihren Wohnsitz hat. Für diese widerlegbare Vermutung ist aber erforderlich, dass zunächst ein gemeinsamer Wohnsitz bestanden hat und auch tatsächliche Inlandszeiten angefallen sind (BFH-Urteil vom 07.04.2011 – III R 77/09).

Wegzug ins Ausland durch Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts

Es gibt zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Möglichkeiten, den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu beenden:

1. Durch Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts an anderer Stelle

2. Durch tatsächliches Verlassen des bisherigen gewöhnlichen Auf-enthalts ohne Rückkehrabsicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums

Ob ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland begründet wird, orientiert sich an den Umständen des Einzelfalls. Folgende Umstände müssen dafür berücksichtigt werden:

• Eine Wegzug ins Ausland mit einer Ausreise führt nur dann zur Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland, wenn eine kurzfristige Rückkehr nicht beabsichtigt oder wahrscheinlich ist

• Bei einem Auslandsaufenthalt von mehr als einem Jahr kann nur noch ausnahmsweise ein inländischer gewöhnlicher Aufenthalt bejaht werden

Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht durch das Überschreiten der 183-Tage Regelung

Auch wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt aufgrund tatsächlicher Umstände nicht im Inland nach § 9 S. 1 AO begründet wird, ist ein gewöhnlicher Auf-enthalt im Inland (fiktiv) immer anzunehmen (aus Vereinfachungsgründen), wenn der Inlandsaufenthalt zeitlich zusammenhängend länger als sechs Monate dauert (§ 9 S. 2 AO).

Hinweis zur 183-Tage-Regelung bei einem Wegzug ins Ausland: Der zeitliche Zusammenhang bleibt nach § 9 S. 2 2. HS AO gewahrt, wenn lediglich kurzfristige Unterbrechungen eintreten. Auch kommt es nicht darauf an, dass die Sechs-Monatsfrist voll in ein Kalenderjahr oder einen anderen Zeitabschnitt fällt. Mehrere kurzfristige Aufenthalte im Inland genügen den Voraussetzungen jedoch mangels zeitlichen Zusammenhangs nicht.

Fazit

Bei einem Wegzug ins Ausland kommt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht zentrale Bedeutung zu. Dabei werden die vom Gesetzgeber in §§ 8, 9 AO legal definierten Begriffe mit ihren Tatbestandsvoraussetzungen in der Praxis bei ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung und Literatur konkretisiert. Beim Wegzug ins Ausland ist daher immer -zur Beweisvorsorge- auf eine ausreichende Dokumentation zu achten.