Für viele Unternehmer und Investoren wird der Gedanke an einen Wohnsitz im Ausland zunehmend attraktiv – sei es aus strategischen, steuerlichen oder privaten Gründen. Doch der Wegzug aus Deutschland kann unerwartete steuerliche Belastungen mit sich bringen. Besonders relevant: die sogenannte Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 AStG, auch bekannt als „Exit Tax“. Sie greift insbesondere dann, wenn durch den Wegzug das deutsche Besteuerungsrecht für bestimmte Vermögenswerte entfällt – und stellt damit ein zentrales Planungsthema dar. Daher gilt das Credo: Mit frühzeitiger Planung die Wegzugsbesteuerung vermeiden – in diesem Beitrag erfahren Sie die Grundvoraussetzungen und Strategien.

Sofern die erste Analyse ergibt, dass durch den Wohnsitzwechsel die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland aufgegeben wird, ist im nächsten Schritt zu prüfen, welche Vermögenswerte betroffen sind – und unter welchen Bedingungen diese zu einer Exit-Besteuerung führen können.

Zum Blogbeitrag: Wegzugsbesteuerung

Folgende Vermögenswerte unterliegen nicht der Wegzugsbesteuerung:

  • Begünstigtenanteile an Stiftungen
  • Immobilien im In- oder Ausland
  • Kryptowährungen
  • Aktien bei Beteiligungen unter 1 %
  • ETF´s/Investmentfonds unter 1 % und unter Anschaffungskosten von EUR 500.000,- (§ 19 Abs. 3 InvStG)
  • Geldvermögen oder sonstige private Sachwerte

Wegzugsbesteuerung kann hingegen ausgelöst werden bei:

Für Unternehmer ist es daher entscheidend, frühzeitig zu planen: Welche Vermögenswerte sind betroffen? Welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen vor dem Wegzug? Und wie lässt sich vermeiden, dass stille Reserven sofort besteuert werden? In diesem Beitrag beleuchten wir praxisnah, wie sich die Wegzugsbesteuerung vemeiden lässt – bevor es teuer wird.

Zum Video Analyse und Klassifikation der Vermögenswerte, die einer Wegzugsbesteuerung unterliegen:

Wegzugsbesteuerung bei Anteilen an Kapitalgesellschaften

Bestehen Anteile an Kapitalgesellschaften gem. § 17 EStG (ab 1 % Beteiligungshöhe) führt der Wegzug (Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht) immer zur Tatbestandsverwirklichung des § 6 AStG. Dies führt zu einer fiktiven Veräußerung der Anteile zum gemeinen Wert.

Nach § 6 AStG erfolgt die Bewertung der Anteile zum gemeinen Wert. Der Begriff des gemeinen Werts bestimmt sich auch für Zwecke des § 6 AStG nach der Legaldefinition des § 9 BewG, der gem. § 1 BewG für alle Steuergesetze gleichermaßen gilt. Der fiktive Veräußerungsgewinn unterliegt dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 c) EStG, § 3c Abs. 2 EStG.
Sofern sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen ableiten lässt, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG der gemeine Wert unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen. Dies gilt auch für Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften. Die für die Erbschaftsteuer geltenden Bewertungsgrundsätze sind auch bei den Ertragsteuern anzuwenden (Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 17.05.2011, BStBl. I 2011, 606). Dabei ist der Nachweis über den niedrigeren gemeinen Wert durch jede andere anerkannte, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke übliche Methode zu ermitteln.

Formal sind, wenn der gemeine Wert zu ermitteln ist, nach § 9 Abs. 2 BewG die allgemeinen Vorschriften des BewG (insbesondere § 11 BewG einschließlich des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach §§ 199 ff. BewG). Damit kann ein betriebswirtschaftliches Gutachten einen niedrigeren gemeinen Wert bescheinigen, der für das Finanzamt bindend ist, wobei die Untergrenze im Substanzwert besteht.

Unternehmerlohn im vereinfachten Ertragswertverfahren: Zur Ermittlung des Betriebsergebnisses ist vom Gewinn nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG noch ein angemessener Unternehmerlohn abzuziehen, soweit in der bisherigen Ergebnisrechnung kein solcher berücksichtigt worden ist. Die Höhe des Unternehmerlohns wird nach der Vergütung bestimmt, die eine nicht beteiligte Geschäftsführung erhalten würde (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 d) BewG).

Zum Video: Wegzugsbesteuerung – Wertermittlung von Anteilen an Kapitalgesellschaften

Wegzugsbesteuerung vermeiden: Umwandlung der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft

Die Umwandlung der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft vor dem Wegzug führt dazu, dass der Anwendungsbereich des § 6 AStG mangels Anteile nach § 17 EStG nicht mehr anwendbar ist. Damit lässt sich die Wegzugsbesteuerung vermeiden, aber nur unter gewissen Voraussetzungen und Einschränkungen:

  1. Die Umwandlung kann ohne Aufdeckung von stillen Reserven erfolgen (siehe §§ 3 ff. UmwStG). Die offenen Rücklagen (soweit nicht im steuerlichen Einlagekonto) werden aber als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert (§ 7 UmwStG, § 5 Abs. 2 UmwStG, § 20 Abs. 1 EStG, § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. d) EStG)
  2. Umwandlung scheidet i.d.R. aus, wenn Alleingesellschafter und auch maßgebliche Tagesgeschäfte der Gesellschaft leitet, da Entstrickung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG zu „nachteiligeren“ Rechtsfolgen als § 6 AStG führt (keine Ratenzahlung)

Wegzugsbesteuerung vermeiden durch Einlage der Anteile in ein Betriebsvermögen

Als Vermeidungsstrategie kommt die Einlage der Anteile in ein Betriebsvermögen (gewerblich geprägt nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, originär gewerblich nach § 15 Abs. 1 EStG) nur in den nachfolgenden Fällen in Betracht:

1. Wegzug in Nicht-DBA Staat und eingelegte Anteile bestehen an einer inländischen Kapitalgesellschaft (gewerblich geprägte Personengesellschaft genügt i.d.R.)

2. Wegzug in DBA-Staat und Beteiligung an inländischer Kapitalgesellschaft (höhere Voraussetzungen: gewerbliche Betätigung und Betriebsstättenvorbehalt erforderlich)

Die Anforderungen an den abkommensrechtlichen Betriebsstättenvorbehalt (2.) sind hoch, sodass der Wegziehende in Deutschland vermittelt durch seine Mitunternehmerschaft eine Betriebsstätte unterhalten muss und die Beteiligung muss funktional dieser Betriebsstätte zugeordnet werden.

Wegzugsbesteuerung vermeiden mittels Einlage in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft bei Wegzug in Nicht-DBA-Staat

Bei (geplanten) Wegzügen in einen Nicht-DBA-Staat kann eine Einlage in eine nicht gewerblich tätige, aber gewerblich geprägte Personengesellschaft erfolgen, womit sich die Wegzugsbesteuerung vermeiden lässt. Nach einem Wegzug mit Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften im Betriebsvermögen der gewerblich geprägten Personengesellschaft werden Gewinne aus der Veräußerung oder aus Gewinnausschüttungen der Kapitalgesellschaft im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfasst. Das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile bzw. an den Gewinnausschüttungen wird mangels einschlägigem DBA nicht ausgeschlossen oder beschränkt. Eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrecht ergibt sich weder aus einer Steueranrechnung noch eines Steuerabzugs (§ 50 Abs. 3 EStG, § 34c Abs. 1 EStG). Mangels Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts lässt sich die Wegzugsbesteuerung vermeiden.

Wegzugsbesteuerung vermeiden mittels Einlagelösung anhand eines Fallbeispiels

A und B sind beide zu jeweils 50 % an der S-GmbH beteiligt. Die S-GmbH ist im Handel von Maschinen aktiv. A und B sind auch beide Geschäftsführer der S-GmbH. A möchte in eine neue Modellreihe von Maschinen im arabischen Markt aufbauen und beabsichtigt einen Wegzug nach Dubai (VAE). Aus dem operativen Geschäft der S-GmbH möchte er sich zurückziehen und nur noch über etwaige Gewinnausschüttungen oder einem späteren Anteilsverkauf partizipieren.

1. Im ersten Schritt gründet A die A-GmbH & Co. KG. Die Geschäftsführung an der A GmbH & Co. KG übernimmt ausschließlich die A-GmbH, deren Geschäfts-führerstellung wiederrum der Vater des A, der in Deutschland lebt, übernimmt.

2. Der A wartet mit seinem Wegzug bis die A-GmbH & Co. KG im Handelsregister eingetragen ist.

3. In der Zwischenzeit wird der A von der Gesellschafterversammlung der S-GmbH als Geschäftsführer abberufen und führt keine Tagesgeschäfte (Geschäftsentscheidungen) mehr aus.

4. Der A überträgt nun die Beteiligung an der S-GmbH in die A-GmbH & Co. KG unentgeltlich. Die Übertragung erfolgt nach § 6 Abs. 1 Nr. 5b) EStG zu den (ursprünglichen) Anschaffungskosten.

Fazit

Die Wegzugsbesteuerung stellt für viele Unternehmer, Gesellschafter und vermögende Privatpersonen eine erhebliche steuerliche Herausforderung dar. Wer jedoch frühzeitig plant beraten lässt, kann legale Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, damit sich die Wegzugsbesteuerung vermeiden lässt. Ob durch Holdingstrukturen, Wegzug in bestimmte Länder oder durch gezielte Vermögensübertragungen – es gibt verschiedene Strategien, die individuell geprüft werden sollten. Wer hier rechtzeitig handelt, schützt nicht nur sein Vermögen, sondern sichert sich maximale steuerliche Flexibilität für den Neustart im Ausland. Das Thema der Vermögensübertragung auf Stiftungen sollten Sie ebenfalls im Blick behalten, da hier auch Potenzial besteht, damit sich die Wegzugsbesteuerung vermeiden lässt.

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