Die Internationalisierung von Unternehmen bringt nicht nur neue Märkte und Chancen, sondern auch komplexe steuerliche Fragestellungen mit sich. Ein zentraler Begriff in diesem Zusammenhang ist die sogenannte Entstrickung: Sie beschreibt den steuerlichen Moment, in dem ein Wirtschaftsgut aus der deutschen Besteuerung herausgelöst wird – etwa durch eine Verlagerung ins Ausland oder durch die Begründung einer ausländischen Betriebsstätte. Für Unternehmen kann dies erhebliche steuerliche Folgen haben, da der Gesetzgeber in solchen Fällen eine sogenannte Entstrickungsbesteuerung vorsieht, um stille Reserven aufzudecken und zu sichern. In diesem Beitrag geht es darum, was unter Entstrickung zu verstehen ist, welche rechtlichen Grundlagen es gibt und welche Gestaltungsspielräume sowie Risiken sich daraus für Unternehmen ergeben.

Die Problematik zur Entstrickung beim Wegzug als Einzelunternehmen wird im nachstehenden Video veranschaulicht:

Die Grundlagen der steuerrechtlichen Entstrickung

Eine Entstrickung wird rechtsfolgenseitig ausgelöst, wenn der deutsche Besteuerungsanspruch von im inländischen Betriebsvermögen verstrickten Wirtschaftsgüter entweder vollständig ausgeschlossen wird oder eingeschränkt wird. Zu einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts kommt es, wenn das deutsche Besteuerungsrecht endet, d.h. wenn ein etwaiger künftiger Gewinn nicht mehr der deutschen Besteuerung unterliegt. Dies ist der Fall, wenn die/das Wirtschaftsgüter/Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte übertragen werden/wird und Deutschland den Gewinn der ausländischen Betriebsstätte aufgrund der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode nicht besteuern darf. Keine Voraussetzung ist, dass sich ein entsprechendes Besteuerungsrecht eines anderen Staates anschließt oder dass dieses ausgeübt wird. Neben dem Ausschluss des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland sieht § 12 Abs. 1 S. 1 KStG und § 4 Abs. 1 S. 3, 4 EStG einen Entstrickungstatbestand auch vor, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts beschränkt wird. Von einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ist auszugehen, wenn die auf den Gewinn aus einer fiktiv angenommenen Veräußerung des Wirtschaftsguts im Ausland erhobene Steuer auf die deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer anzurechnen ist. Rechtsgrundlage für die Beschränkung ist § 34c EStG und § 26 Abs. 1 KStG und die abkommensrechtliche Anordnung, dass die ausländische Steuer anzurechnen ist (siehe auch: Art. 23 OECD-MA). Eine Entstrickung tritt schlechterdings dann zu Tage, wenn Wirtschaftsgüter einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet werden.

Rechtsfolge der Entstrickung

§ 12 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 KStG und §§ 4 Abs. 1 S. 3, 4, 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG sieht als Rechtsfolge die Fiktion einer Veräußerung oder Überlassung zum gemeinen Wert vor. Der gemeine Wert bestimmt sich nach § 9 Abs. 2 BewG, wonach grundsätzlich auf den Preis abgestellt wird, der bei einer marktüblichen Veräußerung zu erzielen wäre. Es werden damit bei einer Entstrickung die stillen Reserven aufgedeckt.

Entstrickung bei „Betriebsverlagerung“

Wird das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter eines Betriebs oder Teilbetriebs ausgeschlossen oder beschränkt, so fingiert § 16 Abs. 3a EStG eine Betriebsaufgabe. Folglich wird die fiktive Betriebsaufgabe als Ausfluss des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts angenommen. Nach § 16 Abs. 3a 2. HS EStG ist § 4 Abs. 1 S. 4 EStG entsprechend anzuwenden. Damit ist eine Entstrickung im weiteren Sinne auch bei einer Betriebsverlagerung ins Ausland gegeben.

Wenn der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3a EStG eröffnet ist, kommt es als Rechtsfolge zur Aufdeckung der stillen Reserven, auch in einem vorhandenen Geschäfts – oder Firmenwert Bei einem Wegzug innerhalb der EU/EWR kommt eine zinslose Ratenzahlung in 5 gleichen Jahresraten nach § 36 Abs. 5 EStG in Betracht.

Ausgewählte Einzelfragen zur Entstrickung

Entstrickung eines Firmenwerts:

Auch ein Geschäfts- oder Firmenwert ist einer Entstrickung zugänglich. Der Geschäfts – oder Firmenwert ist der Mehrwert, der einem Unternehmen über dem Substanzwert der einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter hinaus innewohnt. Der Wert eines Unternehmens resultiert aus seiner Fähigkeit, Einnahmenüberschüsse zu erwirtschaften. Der Geschäftswert wird aus einzelnen nicht messbaren Faktoren gebildet und kann nur durch Schätzung ermittelt werden.

Entstrickung von Geschäftschancen:

Geschäftschancen stellen immaterielle Wirtschaftsgüter dar, welche Gegenstand einer Einlage bzw. verdeckten Gewinnausschüttung sein können. Nach jüngerer Rechtsprechung können – neben typischerweise marktgängigen Geschäftschancen – auch „normale“ Geschäftschancen im Einzelfall ein Wirtschaftsgut sein. Es ist für die Wirtschaftsguteigenschaft aber immer entscheidend, ob diese sich bereits konkretisiert hat. Ob sich eine Geschäftschance hinreichend konkretisiert hat, orientiert sich an den tatsächlichen Umständen. Bei einer etablierten Vertragsbeziehung kommt es maßgeblich darauf an, ob ein fremder Dritter etwas für das Vertragsverhältnis bezahlen würde. Eine Geschäftschance kann auch dann bestehen, wenn sie rechtlich nicht abgesichert ist. Geschäftschancen können damit auch einer Entstrickung unterliegen, wenn diese hinreichend konkretisiert sind.

Fazit zur Entstrickung

Die Entstrickung ist ein zentrales Instrument, mit dem der deutsche Gesetzgeber sicherstellt, dass im Inland entstandene stille Reserven nicht ohne Besteuerung ins Ausland verlagert werden. Für Unternehmen bedeutet dies: Jede grenzüberschreitende Umstrukturierung oder Verlagerung von Wirtschaftsgütern sollte im Vorfeld sorgfältig auf mögliche Entstrickungsfolgen geprüft werden. Wer die gesetzlichen Regelungen kennt und frühzeitig steuerliche Beratung einbindet, kann nicht nur Risiken minimieren, sondern oft auch Gestaltungsspielräume nutzen – etwa durch Stundungs- oder Ratenzahlungsmöglichkeiten. Letztlich zeigt sich: Entstrickung ist kein Hindernis für Internationalisierung, sondern vielmehr ein vorgegebener rechtlicher Rahmen, der antizipierend auch Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen kann.

Ich habe mich insbesondere auch auf das internationale Steuerrecht spezialisiert. Hierzu stehe ich Ihnen auch bei Fragen rund um das Thema „Entstrickung“ deutschlandweit zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns jetzt unverbindlich.

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