Der Ort der Geschäftsleitung ist ein zentraler Begriff des deutschen Steuerrechts und spielt insbesondere bei Fragen der unbeschränkten Steuerpflicht sowie bei internationalen Sachverhalten eine entscheidende Rolle. Er bestimmt, in welchem Staat ein Unternehmen steuerlich ansässig ist, und beeinflusst damit maßgeblich die Zuordnung von Besteuerungsrechten. Aufgrund seiner praktischen Relevanz ist es für Unternehmensverantwortliche unerlässlich, die Kriterien und die aktuelle Auslegung durch Rechtsprechung und Finanzverwaltung zu kennen. Die Problematik zum Ort der Geschäftsleitung als ausländische Betriebsstätte wird im nachstehenden Video veranschaulicht:
Ort der Geschäftsleitung: Die Grundlagen
Geschäftsleitungstätigkeiten umfassen alle grundlegenden Leitungsfunktionen und kaufmännischen Entscheidungen, die für die Führung der Gesellschaft maßgebend sind. Im konkreten Einzelfall sind die bei der zu beurteilenden Kapitalgesellschaft anfallenden Geschäftsleitungsaufgaben zu ermitteln, welche letztlich von dem Unternehmensgegenstand der Gesellschaft abhängig sind. Im Kern geht es dabei um die Aufgaben der laufenden Geschäftsführung (die Tagesgeschäfte), d. h. unter anderem um das rechtmäßige Verhalten der Gesellschaft im Außenverhältnis, die Einrichtung der Organisation des Unternehmens, die Entwicklung kurzfristiger Pläne und geschäftlicher Taktiken, die und die Steuerung des unternehmerischen Tagesgeschehens. Bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer ist (auch) ein Kriterium, an welchem Ort die Mehrzahl der Geschäftsführer ihre Büros unterhalten und ob eine Zentralverwaltung örtlich fixiert vorhanden ist.
Ort der Geschäftsleitung: Steuerlicher Anknüpfungspunkt
Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 KStG knüpft an den Ort der Geschäftsleitung und/oder den Sitz an. Gesellschaften, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, sind mit ihren inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA ist „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ jegliche Person, die gemäß den Gesetzen dieses Staates dort auf Grund ihres Sitzes, ihres Wohnsitzes, des Ortes ihrer Geschäftsführung oder wegen der Erfüllung beliebiger anderer, ähnlicher Voraussetzungen steuerpflichtig ist. Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung ist abkommensrechtlich autonom, d.h. nicht nach dem nationalen Steuerrecht eines Vertragsstaates zu bestimmen. Als Geschäftsleitung wird der Ort bestimmt, an dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befindet.
Sowohl in In- als auch im Outboundfall kommt dem Ort der Geschäftsleitung eine prägende Bedeutung zu:
- unbeschränkte Steuerpflicht
- betriebsstättenlose Einkünfte
- Errichtung ausländischer Gesellschaften
- § 12 KStG

Ort der Geschäftsleitung: Verlagerung durch Home-Office-Tätigkeit
Problematisch ist immer, wenn der einzige Geschäftsführer einer Gesellschaft im Home-Office arbeitet und dieses Home-Office im Ausland (bei einer inländischen Gesellschaft) oder im Inland (bei einer ausländischen Gesellschaft) liegt. Übt jener seine Arbeit aus dem Homeoffice aus, kann eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte nach § 12 S. 2 Nr. 1 AO, respektive ein Ort der Geschäftsleitung, begründet werden. Ein Unternehmen besitzt nämlich an seinem Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung immer auch eine Betriebsstätte Dadurch kann es zu einer Funktionsverlagerung – und/oder zu einer Entstrickungsbesteuerung kommen. Im umgekehrten Inbound-Fall kann es bei einem bisher im Ausland befindlichen Ort der Geschäftsleitung zu einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Deutschland kommen, wenn der Geschäftsführer seine Tätigkeit vom Home-Office im Inland wahrnimmt.
Fazit zum Ort der Geschäftsleitung
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Ort der Geschäftsleitung nicht nur eine formale Größe ist, sondern für die steuerliche Einordnung eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung bleibt. Maßgeblich ist stets, wo die wesentlichen unternehmerischen Leitungsentscheidungen tatsächlich getroffen werden. Gerade bei international ausgerichteten Gesellschaften können Unklarheiten schnell zu steuerlichen Risiken oder Doppelbesteuerungen führen. Eine sorgfältige Analyse der tatsächlichen Verhältnisse sowie eine klare Dokumentation der Entscheidungsprozesse sind daher unerlässlich, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und Konflikte mit der Finanzverwaltung zu vermeiden.
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